J U L I A N G A U P P – M A I E R
5 Szenen Beispiele aus “MILA” / Sat 1
[ romantic comedy / daily ]
Kontext: Die folgenden Beispielszenen stammen aus der anspruchsvollen, aber leider viel zu kurzlebigen Daily “Mila” für Sat1. Der versuchte Mash-Up aus “Girls” und “Der Teufel trägt Prada” beschreibt das Leben des pseudo hippen Berlin-Singles Mila und ihrer kleinbürgerlichen Zehlendorfer Familie.
Geschrieben wurden die Szenen im typischen Daily-Rythmus: 5 Schreibtage für ein 20 minütiges Buch.
A. EXTREM HIPPE JEANSBOUTIQUE INNEN/TAG
Mila (28) und ihre beste Freundin Toni (23) stehen in der Boutique und betrachten interessiert eines der drei ausgestellten Jeansmodelle.
MILA Warum haben die hier nur drei Jeans? Antonia linst aus den Augenwinkeln zur Verkäuferin.
ANTONIA Weil sie cool sind. Noch nie was von reduce to the max gehört? - Nicht zur Verkäuferin schauen.
MILA Warum nicht?
ANTONIA Blicke locken sie an wie Blut einen Schwarm Piranhas. Du wirst sie nicht mehr los und sie drehen dir irgendeinen Müll an.
Zu spät! Die Verkäuferin kommt die beiden zu.
VERKÄUFERIN Hi, guys. Can I help you?
Mila will gerade etwas antworten, als Antonia ihr zuvorkommt.
ANTONIA (Russisch) Ostav’ menya v pokoye.
Die Verkäuferin versteht kein Wort.
VERKÄUFERIN Okay, dann ruft mich, wenn ihr was braucht...
Sie zieht sich zurück. Mila blickt Antonia erstaunt an.
MILA Was war das denn?
ANTONIA Das war Notwehr-Russisch. Die Verkäuferin denkt jetzt, wir sind Oligarchinnen-Nutten, schwimmen im Geld, hauen ihr aber bei Bedarf auch mal die Louis-Vuitton auf den Kopf. Die lässt uns jetzt erstmal in Ruhe.
MILA (baff) Wieso weißt du solche Sachen und ich nicht?
Antonia schaut sich eine Jeans ganz genau an.
ANTONIA Das ist die „Ham & Cheese“ von Ricardo Rodgers in der „Blood on the Dancefloor„-Waschung. - Hmm, da ist natürlich eine Menge anger drin. Bisschen zu aggressiv vielleicht. Aber die Po-Taschen schreien, ich bin heiß, besorg’s mir. – Von vorne selbstbewusst, von hinten devot. Genau wie Männer das mögen.
MILA Das alles hast du dir gerade ausgedacht, oder?
ANTONIA Nie „The Art of Denim“ von Paolo Vasquez Saint-Johns gelesen?
MILA Nein. Kann ich auch eine Hose kaufen, ohne vorher den Doktor in „Jeansology“ zu machen?
ANTONIA Kommt drauf an, wie viel Zeit du hast und wie viel Geld du ausgeben willst.
MILA Wieso, was kostet die?
Antonia zeigt Mila möglichst unauffällig den Preis. Mila ist entsetzt.
MILA (geschockt) 560 Euro? Für ein Stück Stoff?
ANTONIA Ja, voll geschenkt, oder?
Antonia winkt der Verkäuferin.
ANTONIA
Heyski, bringski Jeanski in 28ski und 27ski. Dasswidanja. (zu Mila, stolz) Mein echtes Russisch ist aus. Das coole an Fake-Russich: du hängst einfach nur überall hinten ein „ski“ dran.
Mila schaut Antonia zweifelnd von der Seite an. So ganz richtig scheint die nicht zu ticken.
MILA (flüsternd) Und was, wenn ich eher eine Jeans in der Normalo-Preisklasse will?
ANTONIA (lacht) Wie? Für 150 Euro, oder was? Dafür kriegst du von Ricardo Rodgers nicht mal ’ne Hotpants. Also nicht mal die Hotpants von einer Hotpants, wenn du verstehst, was ich meine.
Mila versteht garnix. Die Verkäuferin kommt mit zwei Jeans zurück, die sie Mila in die Hand drückt.
VERKÄUFERIN (bissig) Hier, bittski.
MILA (reflexhaft)
Antonia schickt Mila auf dem weg zu Umkleide ein „Thumps- Up“ hinterher. Mila unsicher: Ob das alles eine so gute Idee war...?
B. UMKLEIDEKABINE - ETWAS SPÄTER INNEN/TAG
Mila dreht sich überrascht und glücklich mit der Jeans vor dem Spiegel.
MILA (verliebt) Passt wie eine zweite Haut. Sieht aus, als hätte ich vier Kilo abgenommen – und nur an den richtigen Stellen. Sogar meine Nase sieht irgendwie kleiner aus.
ANTONIA Stimmt, sitzt perfekt. Aber kannst du da drin überhaupt atmen?
MILA (halb weggetreten) Atmen? Ich muss nicht atmen, ich bin schön.
ANTONIA Du weißt aber schon, dass der Stoff beschichtet ist und du ihn nicht waschen kannst?
MILA Mir egal.
ANTONIA Ich dachte, du wolltest nicht so viel ausgeben.
MILA Mir egal. Ich würde für diese Jeans alles tun. Anschaffen gehen, meine Niere verscherbeln, endlich Hartz IV beantragen. (Tränen in den Augen) Schau mich an. Ich bin die Frau, die ich immer sein wollte.
C. KONFERENZRAUM HEART MAGAZIN INNEN/TAG
Mila (32), Kolumnistin in der Online-Zeitung HEART MAGAZINE starrt düster vor sich hin, während alle andern reichlich unmotiviert um den Konferenztisch lungern. Theresa (45), Chefredakteurin, setzt sich schwungvoll ans Kopfende.
THERESA Aufgewacht, ihr Tierchen. Augen zu mir. Redaktionssitzung. Wo ist Uwe?
KATHI Ist krank. Hals verrenkt. (halblaut) Beim Arschkriechen wahrscheinlich.
THERESA Witzig. Da lach ich dann später drüber. - Mila, warum kuckst du so müde?
MILA Ich kuck nicht müde, das ist ein Lebensgefühl.
THERESA Lebensgefühl, gutes Stichwort. Wie sieht’s mit deiner Kolumne aus? Irgendwelche neuen, heißen Themen?
MILA Keine Ahnung. - Warum sind Männer gefühlsblockierte Vollidioten, vielleicht?
Theresa atmet erleichtert auf.
THERESA Dann bist du also wieder Single? Halleluja, ich mache drei Kreuze.
MILA (baff) Freut dich das?
THERESA Sicher Männerbashing verkauft sich. Immer schön drauf auf das dumme Geschlecht.
Rudi zuppelt verärgert seinem alten Polunder.
RUDI Ich weiß nicht, ob dir das klar ist, Theresa. Aber hier sind durchaus Männer anwesend.
Rudi wird weithin ignoriert.
MILA (zu Theresa)
Dann bist du jetzt wirklich erleichtert, dass es mir beschissen geht?
THERSESA Mila, Hase. Wie oft denn noch? Nur eine unglückliche Kolumnistin ist eine gute Kolumnistin. Unsere Durchschnitts-Userin wird nun mal von den Kerlen da draußen ständig nach Strich und Faden verarscht - genau wie du!
MILA Umgekehrt heißt das also, wenn ich irgendwann mal glücklich und in einer glücklichen Beziehung sein sollte, wäre das für mich ein Jobrisiko ist?
THERESA Das kann ich offziell so nicht bestätigen. Auch, weil ich mir rechtlich gesehen, damit ziemlich ins Bein schießen würde.
MILA Also im Grunde genommen heißt das also ja? (zu Nick) Sagst du auch mal was?!
NICK Augen auf bei der Berufswahl...
Mila kann es nicht fassen, dass Nick ihr so in den Rücken fällt. Theresa strahlt die beiden an.
THERESA Ich liebe es, wie ihr als Team funktioniert.
Mila steht auf.
MILA Wisst ihr was? Ihr könnt mich alle mal. Ich gehe jetzt - und rette mit meinem Unglück eure Jobs.
Damit stapft sie davon. Theresa schaut ihr hinterher.
THERESA (stolz) Mein Mädchen.
D. HAUS ZELLINGER / FLUR INNEN/NACHT
Felicitas (52), Milas Mutter, lässt die Zange ihrer Hand fröhlich auf und zuschnappten und steigt auf die Leiter. Ihre Putzfrau, Gül (45), sichert ab.
GÜL Warum sie mir nicht geben mehr Lohn?
FELICITAS Frau Yilmaz, wie oft soll ich Ihnen das denn noch erklären? Frauen verdienen nun mal weniger als Männer. Mit Feminismus hat das nichts zu tun, das ist eine Art Naturgesetz.
GÜL (düster) Pah! Das nicht Natürgesetz. Schwerkraft ist Natürgesetz. (lässt die Leiter los) Ich Ihnen zeige. Sie gleich Naturgesetz plumps von Leiter.
FELICITAS Frau Yilmaz, unterstehen Sie sich. Halten sie die Leiter fest, ich muss hier nur noch schnell...
Felicitas nähert sich mit der Zange der Lampenfassung...
GÜL (besorgt) Sie warten! Ihr Mann hat gesagt Sicherung raus!
FELICITAS Mein Mann, mein Mann, mein Mann... Männer machen immer so ein übertriebenes Gewese um alles technische. Nur damit wir Frauen glauben, wir könnten das nicht verstehen. Gleichstrom, Wechselstrom, Sicherung. Alles natürlich total gefährlich. Schauen Sie, es passiert - nichts.
Felicitas berührt mit dem Zange den Sockel der Glühbirne – und zack! – es ist zappenduster.
GÜL (aus dem Dunkel) Frau Zellinger? Sie leben?
FELICITAS (kleinlaut; aus dem Dunkel) Vermutlich ja. (Stille) Wissen sie was? Mir fehlt Hendrik. Manchmal frage ich mich, ob er das Interesse an mir verloren hat. Sind wir mal ehrlich, ich habe auch nicht mehr die Figur von früher...
GÜL Bei und in Anatolien wir haben Sprichwort: Echte Mann liebt Frau mit Kurven – nur Hund spielt mit Knochen.
FELICITAS Ach, in Anatolien hat man ja wohl neuerdings eine Antwort auf alles. (hört es klappern) Gül, was machen Sie da eigentlich?
Der Schein von Felicitas Handytaschenlampe fällt auf Gül, die gerade heimlich einen Schluck Ouzo nimmt.
FELICITAS Wie haben Sie im Dunkeln so schnell die Flasche gefunden?
GÜL Sie doch immer sagen, wir Frauen, wir können schaffen alles. Oder...?
FELICITAS Na, an Ihnen ist scheinbar wirklich ein Feministin verloren gegangen.
Während Felicitas vorsichtig von der Leiter kraxelt, schenkt Gül ihnen zwei Gläser ein.
FELICITAS (hebt das Glas) Auf Leben. Und darauf, dass Mann Sie liebt.
FELCITAS Was macht Sie da eigentlich so sicher? Vielleicht ist er doch ein Hund und will lieber mit einem dieser 28-jährigen blondierten Knochen spielen.
GÜL Nein, wenn Ihr Mann wäre Hund, er würde viel mehr bellen.
FELICITAS Und mit dem Schwanz wedeln würde er auch... (erinnert sich) Obwohl, manchmal... Vergessen wir das. (zu Gül) Auf uns Frauen.
Beiden stoßen gutgelaunt an.
E. HAUS ZELLINGER / KELLER INNEN/NACHT
Felicitas und Gül stolpert mit Taschenlampe über den dunklen Keller.
FELICITAS Dieser Sicherungskasten ist ja besser versteckt, als ein Tresor.
GÜL Wir können einfach können anrufen Ihre Mann anrufen. Er uns sagen wo ist.
FELICITAS Kommt nicht in Frage. Dann denkt er wieder, dass ich ohne ihn überhaupt nicht lebensfähig bin.
GÜL Und sind Sie?
FELICITAS Natürlich bin ich das. Was denken Sie denn von mir? Ich habe auch schon harte Zeiten in meinen Leben durchgestanden. Als ich mit Mila damals allein war... Wir waren ganz unten.
GÜL Sie Deutsche Frau, sie nie ganz unten. Schauen Sie mich. Ich geheiratet mit 13 Jahr. Dann drei mal schwanger, dicke Bauch, aber drei Kinder tot auf Welt. Ich traurig, aber Mann sage, wir gehen Deutschland. Wir gehe, dann Mutter sterbe in Erzurum. Dann Mann krank, keine Geld. Dann Glück und gewinne in Lotto, aber verliere Lottoschein. Und Rest von Lebe nur putze, putze, putze, putze und putze. – Das sein ganz unten.
FELICITAS (schluckt) Naja, da haben Sie mich jetzt irgendwie auf dem falschen Fuß erwischt. Tut mir alles sehr leid. – Sie wollten 13 Euro die Stunde, richtig?
GÜL (empört) Sie jetzt denke, alles sich lässt regeln - mit Geld?
FELICITAS (unsicher) Nicht? GÜL (locker) Okay, aber 15.
FELICITAS 14 Euro und keinen Cent mehr.
GÜL 15 Euro, letztes Angebot.
FELICITAS Also gut.
Die beiden Frauen schlagen ein. Gül zieht sich ihre Jacke an.
GÜL Bis morgen. Frau Zellinger. Und rufen Sie Mann an.
FELICITAS Auf keinen Fall. Niemals.
GÜL Vielleicht nicht, vielleicht doch. Güle, güle.
FELICITAS (erleichtert) Tschüss, Frau Yilmaz. Ach, und fröhlichen Ramadan.
Felicitas atmet durch: Immer diese Gül...
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